4. SONNTAG DER OSTERZEIT

 

Evangelium nach Johannes (10,11-18)

 

Was bedeutet mir Jesus? Diese Frage muss ich mir als Christ immer wieder stellen. Was bedeutet er für mein Leben? Verstehe ich ihn? Mein Verständnis ändert sich. Als Kind und als Jugendlicher habe ich ihn anders gesehen. Und wer ist er für mich als Erwachsener? Verstehe ich Jesus nicht anders mit dem Älterwerden? Hat seine Bedeutung für mich zugenommen?

Im heutigen Evangelium ist es anders. Da sagt Jesus von sich aus, wer er ist und wer er für uns sein möchte. Er tut das nicht mit hoch-filosofischen Gedanken, sondern - wie immer - mit einem Bild aus dem damaligen Landleben, aus dem Alltagsleben seiner Zuhörer. Deswegen konnten sie sofort verstehen, was er meinte, als er sein Verhältnis, seine Beziehung zu ihnen mit der Beziehung eines Hirten zu seinen Schafen verglich. Für uns gehören Hirten und ihre Schafe nicht mehr zu unserem Alltagsleben. Deswegen müssen wir ein wenig mehr darüber nachdenken, was Jesus da sagen will.

In der Antike diente der Beruf des Hirten als Bild für jene, die andere führen, wie Hirten ihre Herde leiten und schützen. Und im AT wird Gott mehrfach als Hirte seines Volkes beschrieben, der seine Herde - das Gottesvolk - sammelt und führt.

Jesus bezeichnet sich selbst als „wahrer Hirt". Als Kontrast dazu skizziert er das Bild vom „Mietling": Der gemietete Hirt betreut die Herde nur, weil er dafür bezahlt wird. Er hat keine persönliche Beziehung zu der Herde. Deshalb lässt er die Schafe im Stich, wenn sein Leben bedroht ist, wenn wilde Tiere angreifen. Ein wahrer Hirt tut so etwas nicht. Er ist für seine Schafe da, beschützt sie, sorgt sich um ihr Wohl. Er hat ein ganz anderes Verhältnis zu seinen Schafen.

Und so will Jesus sein Verhältnis verstanden wissen, das er zu Menschen hat, die zu ihm gehören, an ihn glauben. Christen sind. "Ich kenne die Meinen...“, sagt er. Einen anderen „kennen“ ist nicht etwas Oberflächliches. Es setzt eine tiefere Beziehung voraus. „Ich kenne dich! Ich weiß, wie du denkst und fühlst, was dich beschäftigt, dir Sorgen und Freude macht. Ich kenne deine Not, deine Einsamkeit, deine Unruhe, und deine unerfüllte Sehnsucht. Ich kann deswegen mit dir mitfühlen, nachempfinden, wie du dich fühlst und was du willst.“ Das sagt Jesus zu denen, die zu ihm gehören, seine Freunde sind, also zu uns Christen.

„Ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich.“ Jesus möchte also, dass wir unsererseits eine ähnliche Einstellung zu ihm haben, wie er zu uns. Wir sollen ihn „kennen“, wissen, was ihm wichtig ist, nachempfinden, welche Erwartungen er an uns hat, in einer Vertrauensbeziehung mit ihm leben.... so intensiv, wie seine Beziehung zu Gott, dem Vater ist: “..wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne...“ - Und „„Ich und der Vater sind eins“, sagt er an anderer Stelle. Jesus sucht mit uns die tiefste Verbundenheit.

Jesus „kennen“ ist weit mehr, als einiges über ihn wissen. Jesus spricht hier von einer Art Liebesbeziehung. Und wie tief diese Beziehung seinerseits ist, hat er deutlich gemacht: Sein ganzes Leben hat er für uns gelebt, damit wir den Weg zum wahren Leben, zu einem Leben mit Gott finden können. Er war bis zum äußersten bereit, sogar bereit sein Leben dafür zu geben. Das waren keine leeren Worte. Er hat es getan.

Eigentlich spricht Jesus jeden und jede von uns persönlich an: „Bist du bereit zu so einer Beziehung zu mir? Bist du bereit dich so auf mich einzulassen, mit allen Konsequenzen? Willst du so Christ sein?“ Was antworte ich ihm darauf?

Sage ich oft nicht: „Ich will DIR nachfolgen - aber nicht überall hin. Ich will mich an DICH binden - aber nicht zu fest. Ich will mich zu DIR bekennen - aber nicht zu laut. Ich will meine Sicherheiten aufgeben - aber nicht alle. Ich will mein Kreuz tragen - aber nicht dauernd Ich will meinen Nächsten lieben - aber nicht jeden. Ich will mein Leben ändern - aber nicht völlig.“

Wir haben oft so unsere Vorbehalte. Die hat Jesus in seiner Beziehung zu uns nicht.

 

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